Ort:
Graz
Genre:
Indie
Label:
Bloom Records
Bandmembers:
Alex Hackl
Michael Karre
Stephan Paulitsch
Julian Pieber
Info:
Shaun Berkovits – „Lights Spill Like Ocean“
Ein leicht schwingender, synthetischer Bass drückt aufs Trommelfell. Fast so, als würde man im Meer immer weiter in die Tiefe tauchen und der Druck größer werden. Sonnenstrahlen funkeln im glasklaren Blau des Wassers, wenn sich die abgestoppten Gitarrenlinien mit dem rollenden Schlagzeug zu einem großartigen Thema erheben. „The Great Fall“ ist einer der besten Songs, um in die Welt von Shaun Berkovits das erste Mal abzutauchen. Er repräsentiert viele der Ebenen, auf denen die Grazer Band ihre emotionalen und musikalischen Themen transportieren. Denn auf dem Debüt „Lights Spill Like Ocean“ dreht sich alles ums Wasser, dem sich ständig bewegenden, wandelnden Element, dessen Wellen pure Energie transportieren. So reißt einen auch der von Mike Karre gefühlvoll und doch kräftig gesungene Refrain sofort mit und plötzlich surft man auf dem Schaum verhallter, verzerrter und wild flirrenden Gitarrensounds im Sonnenuntergang eine Klangwelle nach der anderen ab.
Dieses Bild wird auf textlicher Ebene jedoch von existenziellen Fragen konterkariert, geht es in „The Great Fall“ doch um die Suche nach Halt in einer Welt mit sich ständig wandelnden Werten. „Wir stellen uns oft die Frage, welchen neuen Idealbildern wir eigentlich alle hinterher hecheln, denn meist sind es für uns die falschen“, wie Mike Karre es auf den Punkt bringt. Überhaupt nähert sich das lyrische Schaffen von Shaun Berkovits recht abstrakt an philosophische Fragen an, die wir uns in der gegenwärtigen Krisenzeiten wohl alle stellen. Was und wer steuert unser Leben? Entscheiden wir auf der Basis unseres prägenden Elternhauses und unserem sozialen Umfeld oder lassen wir den Zufall entscheiden, von dessen Existenz wir nicht immer überzeugt sind? Und wie schaffen wir es, nicht nur nach den Bedürfnissen unseres Gegenübers, sondern auch nach unseren eigenen zu Leben?
Shaun Berkovits liefern mit ihrem Debüt hier keine Antworten, sondern verführen mit großem musikalischem Geschick, sich diesen Fragen zu nähern oder gar zu stellen. „White Days“ thematisiert zum Beispiel mit seinen glitzernden Akkorden und der sich langsam einschleichenden, klaustrophobischen Atmosphäre Alltags- und Existenzängste, während entfernten Synthesizer-Flächen einen schwachen Hoffnungsschimmer am Horizont aufglühen lassen. Und wenn der unruhige, angezerrte Bass von „Corroded Fields“ von einem rhythmisch ausgefuchsten Schlagzeugbeat begleitet sich mit den druckvollen Gitarrenwänden zu einer ergreifenden und unglaublich epischen Hymne verschränkt, dann rennt man im Kopf wirklich über verrostete Felder, während der in der Brust brennende Atem sich als weißer Hauch gegen den schwarzen Nachthimmel abzeichnet. Auch der tanzbare Beat von „White Screen“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir in Zeiten der Reizüberflutung leben, wenn Mike uns mit eindringlicher Stimme zum nachdenken anregt, ob wir uns den permanenten Einflüssen von außen auch immer aussetzen wollen.
Was die musikalische Umsetzung dieser dringlichen und tiefgehenden Themen betrifft, verstehen es die vier Grazer Musiker meisterlich schon von Beginn der einzelnen Songs an einen hypnotischen Sog zu erzeugen, der meist in stürmisches Soundgewitter mündet. Arrangementtechnisch ist mit „Running Out Of Time“ ein großer Wurf gelungen, dessen treibender, elektrisierender Strophenteil in einen cinemascope-artigen Refrain führt, der durch die Mischung aus zurückgelehntem Halftime-Feeling und High-Speed-Gitarrennoise einen gefinkelter Rockhybriden abgibt. „The Shore“ hingegen beweist, dass Shaun Berkovits ihre groß angelegten Melodien auch behutsam ausklingen lassen können. Gefühlvoll werden bei dieser Ballade die Harmonien gewechselt, so wie ein kleines Segelboot auf offenem Meer sanft von den Wellen hin und her geschaukelt wird. Und wenn bei dem getragenen Stück „Our World Without An End“ zu einem trockenen Drummaschine-Loop ein Streicherquartett einsetzt wird klar, dass diese österreichische Band erst am Anfang ist, ihre kreativen Spielarten auszuloten.
„Lights Spill Like Ocean“ ist ein lang ausgetüfteltes, komplexes und zugleich sehr direktes Indierockalbum, das von der ersten Minute an eine erhabene Größe besitzt, die sich unentwegt zu steigern scheint. Melancholische Dunkelheit trifft dabei auf lärmige Experimentierfreude, wobei nie auf zugängliche Komposition und poppige Melodie vergessen wird. Wie sich die typischen, weiten Soundlandschaften von Shaun Berkovits mit all diesen Aspekten innerhalb vier Minuten verbinden lassen, zeigt „100 Miles“. Ausgehend von akustischen Gitarrenakkorden steigert sich dieser Song zu einem der schönsten Schlussteil der Platte, oder wie es Schlagzeuger Julian Pieber ausdrückt: „Ich habe da immer das Bild eines riesigen Objekts im Kopf, dass sich schwerelos und unaufhaltsam nach vorne bewegt. Es ist ein extrem kraftvoller Teil, der gleichzeitig viel Ruhe ausstrahlt.“ Ein Bild, das nicht nur für den Grundsound, sondern auch für den ungebrochenen Willen und die große Überzeugung der Band stehen könnte, ihren über die Zeit gewonnen musikalischen Weg und ihren Intuitionen treu zu bleiben. (Andreas Gstettner – FM4)
Shaun Berkovits sind:
Mike Karre, Alex Hackl, Stephan Paulitsch und Julian Pieber
„Lights Spill Like Ocean“ wurde von Andreas Fennes im "What's That Noise" Studio aufgenommen, von Florian Parzer gemischt und von Harald Pairits gemastert.
Die Streicher bei "Our World Without An End" haben Simon Schellnegger (vla), Christabel Lin (vl) und Meaghan Burke (cello) eingespielt.
Pressestimmen:
„Shaun Berkovits ist ein völlig frei erfundener Name, ich hab ihn extra durch diverse Suchmaschinen gejagt“, sagt Michael Karre, Sänger, Gitarrist und Songwriter der gleichnamigen Band ... Ausgereifter, melancholischer Gitarren-Pop von hohem Gütegrad macht den Song „This Life Came to Bury Me“ zu einem würdigen Sieger der jüngsten Runde der TBA Band-Zone. Die beiden anderen Lieder des ersten Shaun-Berkovits-Demos stehen dem in nichts nach. „Coming Down Like Rain“ würde Doug Martsch von Built to Spill gut zu Stimme und Gitarre stehen. „Ich schreibe die Songs auf der Akustischen“, erzählt der 36-jährige Vater, „mit der Band (drei Mittzwanziger, Anm.) geht es live aber schon ein wenig anders zur Sache.“ ... Für ihr geplantes Album suchen Shaun Berkovits gerade einen Label-Partner. Wer diesbezügliche Ambitionen hat: Ran an die Band!
Rainer Krispel/ TBA März 2008
Künstler der Woche
Shaun Berkovits breiten sich mit einem Hang zur Melancholie und viel Pop-Appeal ein dichtes Wurzelwerk aus und zwar hier auf Hey Tube. Zu entdecken gilt es jetzt den Song “This Life Came To Bury Me”, gekreuzt mit lieblicher Poesie und harmonischer Leichtigkeit. Die Klasse Shaun Berkovits besteht eben darin, dass sie wie ihre musikalischen Nachbarn wie z.B. Death Cab For Cutie, The Shins oder Built To Spill Komplexität und Klarheit verbinden. Und ihnen merkt man gewiss nicht an, dass sie aus Österreich kommen. Damit gehören sie zum Besten, was die Alternative-Saison schon jetzt hervorbringt. Melancholie von ihrer schönsten Seite. www.heytube.de
Konzerttipp: Chelsea Wien
Ein Doppelpack heimischer Independent-Music: Nach den Wienern Team Pete spielen die Grazer nach ihrem Chef benannten Shaun Berkovits, die einnehmenden Indie-Rock mit Orientierung über den großen Teich spielen - und sich darin als sehr versiert und begeisternd zeigen. Karl Fluch/ DER STANDARD Printausgabe 3.9.2008